Wie wird man Motorrad-Fahrerin?

Also, ich schiebe alles auf meinen Vater.

Doch, der ist sich seiner Schuld überhaupt nicht bewusst, denn schließlich hat er mich niemals auf sein Mopped gezwungen. Trotzdem ist er schuld.

Er hätte mir ja nicht andauernd mit seiner ES 150 vor den Augen rumfahren müssen oder mich später, als ich Klammeräffchen spielen konnte, mitfahren lassen.

Nun ja, manchmal nimmt halt das Schicksal seinen Lauf...

 

Jedenfalls empfand ich das Gefühl, wenn ich bei Papa hintendrauf mitfahren durfte, als mächtig erhebend und wollte am liebsten auf der MZ Trophy sitzen bleiben oder zumindest jeden Tag irgendwohin fahren. Papa machte mir klar, dass weder das eine noch das andere realisierbar sei. Das war wirklich schade.

Also blieb mir nichts anderes übrig, als erst einmal zu wachsen und meine Zweiradfähigkeiten an muskelbetriebenen Sportgeräten wie Holzroller, Metallroller und Klappfahrrad zu vervollkommnen. (Höhepunkte waren die jährlichen Friedensfahrt-Nacheifer-Rennen, bei denen die Kids der ganzen Straße plötzlich Olaf Ludwig hießen und wie bekloppt in die Pedale traten, um als erster über die Ziellinie zu kommen. Sehr beliebt waren auch die Marmeladenglasdeckel-Fahrten, bei denen der Rand vom "Plastedeckel" abgeschnitten und die verbliebene Scheibe mittels Wäscheklammer an der Schutzblechhalterung festgeklemmt wurde. Ein Abschnitt des Plastikdeckels musste irgendwie so in die Speichen gedreht werden, dass beim Fahren dieser geile motorenähnliche Lärm entstand.)

Die Zeit verrann und siehe da, nach 17 Jahren - also mit 17 Jahren - trug ich meine Anmeldung für den Motorradführerschein zur Fahrschule. Spätestens hier muss ich verdeutlichen, dass ich in der DDR aufgewachsen bin. Diese Tatsache hatte Vorteile und Nachteile. Ein Nachteil war zum Beispiel, dass man sich rechtzeitig für die Fleppe anmelden musste. Ich tat das also mit 17 und konnte somit im Alter von 18 Jahren einen Fahrschullehrgang belegen. (Die Thumbnails könnt Ihr anklicken.)

Ein weiterer Nachteil bestand darin, dass man für die Fahrpraxisstunden ein eigenes Motorrad vorweisen musste. Papas alte Emme wurde zwar nicht mehr viel benutzt, doch sie war noch da und lief. Und so probierte ich schon mal im Vorfeld der Fahrschulstunden, wie das Ding funktioniert. Das Anfahren klappte prima. Doch unterwegs im Wahnsinnstempo des ersten Ganges stellte ich fest, dass ich nicht wusste, wie ich die Fuhre stoppen konnte. Es ging ja auch alles viel zu schnell. Ich landete im Handumdrehen mit meinem rasenden Untersatz auf einer Böschung im Gestrüpp kurz vor einem Gartenzaun. War ich froh, dass es wenigstens bergauf gegangen war.

Im Oktober 1986 hatte ich meine große Stunde. Im herbstlich-erzgebirgischen Frühnebel und bei einer Saukälte durfte ich um 7:00 Uhr zur Fahrprüfung anrollen. Es ging alles gut. Ich bin auch nur einmal mit dem betagten Gefährt umgefallen, als mir beim Anfahren in der Kurve der Motor verreckt ist. Das Fahrschulauto war zum Glück schon außer Sicht.

Ein wesentlicher Vorteil des DDR-Lebens waren allerdings die Führerscheinkosten. Ich würde es heute selbst nicht mehr glauben, wenn ich nicht die Quittung aufgehoben hätte: mich kostete der ganze Spaß 35,40 Mark!

Und danach?

Es konnte losgehen. Auf Papas alter Schraddel-MZ düste ich fortan durch die Lande. Zugegeben, die Kiste war schon etwas steif vom Fahrverhalten her, aber man muss eben Kompromisse eingehen, wenn man keine Alternative hat. An der Lösung dieses kleinen Problems arbeitete ich insgeheim und fleißig. Sie hieß MZ ETZ 150 (Luxus! mit Trommelbremse und H4-Scheinwerfer) und sah umwerfend blau aus. Wir schrieben 1987 und ich war happy.

Wenn die Fuhre auch ab und zu im scheiß Gebirgsregen abgesoffen liegen blieb... Der Zündkerzenwechsel war nie ein Problem. Ebenso das Vergaser reinigen, wenn man mal wieder zu viel Brocken im Benzin serviert bekam. Als äußerst praktisch erwiesen sich die Gummifaltenbälge an Gabelholmen und im Bereich der Antriebskette. Das machte keine zusätzliche Sauerei und verzögerte den Verschleiß. (Heute frage ich mich, was ich damals eigentlich angezogen habe, um im Regen und bei Kälte nicht umzukommen. Ich weiß es nicht mehr. Auf gesundheitliche Spätschäden warte ich noch...)

Mein Mopped war also o.k., aber da ich mir Zahlen so schlecht merken konnte, musste ich mir etwas anderes einfallen lassen, um mein Schätzchen im Getümmel der anderen parkenden ETZs wiederfinden zu können. Während der Unterrichtstunden meiner Lehre hatte ich genügend Zeit, mich mit wirklich wichtigen Dingen zu beschäftigen und entwarf einige Farb-Studien. Ich blieb schließlich beim schrägen Zebra-Design hängen. Obwohl ich vorher noch nie diese komische amerikanische 70er-Jahre-Serie gesehen hatte, die in der afrikanischen Savanne spielt und in der irgendein Bushdoctor im Zebrajeep herum fährt. Egal. Meine ETZ wurde ja auch blau / schwarz. (Rechts seht Ihr den unberührten Originalzustand, links das Zebra. Und weil wir im Osten keine frohen Farben hatten, gibt's alles in Grau.)

Da ich trotz der langen Jahre Wachstumszeit doch eher kurz geraten bin, hatte ich bei meiner MZ allerdings so meine Probleme mit dem Bodenkontakt. Ständig musste ich halb von der Sitzbank rutschen, um wenigstens mit einem Fuß auf die Straße zu kommen. Und dann gefiel mir auch der popelige Lenker nicht so richtig...

Zufällig war gerade die Mauer gefallen und so holte ich mir während eines Mopped-Urlaubs in Nürnberg einen Western-Hochlenker. Den bastelte ich mir im Winter 1990/91 drauf und war stolz wie ein Sack Sülze. Endlich etwas choppermäßiges - dachte ich damals. Und ich saß bequemer auf dem Bock. Leider gibt es von diesem Gefährt kein einziges Bild mehr. Außerdem konnte ich endlich 'ne richtige Motorrad-Ausrüstung kaufen: Stiefel, Hose, Jacke, Handschuhe, Helm und Brille. Irre!

Inzwischen strömten alle möglichen Infos und Bilder über Moppeds ins freie Ostdeutschland und ich fühlte mich eindeutig zu den Choppern hingezogen. Die sahen urig aus und man konnte richtig drin sitzen ohne mit den Füßen nach festem Grund angeln zu müssen. Die Springer Softail von Harley-Davidson - welch ein Traum! Welch ästhetisches Erscheinungsbild! Welch lieblicher Klang! Das perfekteste Motorrad des Universums. Und was für'n außerirdischer Scheiß-Preis. Vielleicht wird es ja die kleinste Sporty in ein paar Jahren.

Na ja, es kommt immer anders als man denkt, und so war ich 1993 sogar gezwungen, meine Sachsen-Harley ersatzlos und schweren Herzens zu verkaufen. Der verbliebene Besitz zog mit mir nach Nordrhein-Westfalen.

 Neue Liebe, neues Glück

Erst mal hatte ich alles um mich herum vergessen, wie das eben so ist bei der Liebe. Doch irgendwann kam der Alltag wieder ins Leben. Immer öfter ertappte ich mich dabei, meinen Kopf vorbeifahrenden Mopeds hinterher zu drehen. Wehmut machte sich breit, den ich mit Fachzeitschriften in den Griff bekommen wollte. So ein Blödsinn. Das funktionierte natürlich überhaupt nicht. Im Gegenteil, ich leckte wieder Blut.

Irgendwann wurde es konkret und ich suchte nach einem Bike, das mir passte. Während der "Motorräder 1996" in Dortmund saß ich schon einmal Probe. Klein musste es sein - adieu Dragstar. Am Ende schwankte ich zwischen der Virago XV 535 und der Savage LS 650. An der Savage reizte mich, dass sie sich von anderen Chopper-Modellen erfreulich abhob, denn sie hatte einen Single, der Sound brachte, kostete nicht die Welt und stand nicht an jeder Straßenecke rum.

Aber noch war es nicht soweit. Ich überbrückte die Zeit damit, Revell-Moppeds zusammen zu bauen. Die haben natürlich hauptsächlich Harley-Modelle der Sparte Chopper. Und so wuchs die Anzahl der kleinen Süßen auf sechs. Jeden Winter eins. Nur eine Ausnahme ist unter den V2-Modellen. Die rechts abgebildete SLS kam als letztes Minibike erst 2000 dazu und fällt an dieser Stelle chronologisch etwas aus dem Rahmen. Dennoch ist dieses Bild ein unumgängliches Muss, denn ich mag den großen Zlinder unter den Vitrinenmoppeds am meisten.

Eines schönen Sonntages - Ende August 1999 - machte ich mich auf, um endlich die Händler der Umgebung ausfindig zu machen. Denn im kommenden Frühjahr wollte ich wieder ein Motorrad fahren. Ich kam nicht weit, denn schon beim ersten Suzuki-Händler war's um mich geschehen.

Gelber Eintopf

Da stand sie. Strahlend wie der Sonneschein und aufgerüstet bis zum Geht-fast-nicht-mehr. Und sie zwinkerte mir durchs Schaufenster zu: "Nimm mich, ich trage dich überall hin wo du willst". Ausgerechnet in gelbem Gewand musste sie mich locken. Wie sollte ich da standhaft bleiben? Gelb war für mich das non plus ultra an Farben, doch speziell dieser Farbton passte wie die Faust aufs Auge. Und ich passte ebenso gut auf die Savage. Wie angegossen. Sie sah gepflegt aus und hatte mit Baujahr 1996 knapp 6000 km auf den Reifen. Ende der Woche konnte ich sie schließlich nach Hause fahren.

Es dauerte noch eine Weile, bis wir uns zusammen gerauft hatten, denn sechs Jahre Fahrpause und der Umstieg auf 650 Kubik mussten erst gemeistert werden. OK, ich legte mich natürlich sofort am dritten Tag auf die Nase. Mitten vorm Supermarkt, als ich beim Anhalten und Einlenken die Handbremse zu fest gepackt hatte. Zum Glück blieb es bei einem verbogenem Bremshebel und ein paar blauen Flecken.

Als das Wetter kühler und winternass wurde, machte sich die alte Erstbereifung bemerkbar. Vorsicht war auch hier die Mutter der Porzellankiste und so eierte ich manchmal mit gedanklichen Stützrädern um die Ecken. Ein näherer Blick verriet, dass der Gummi hart und porös war. Nun ja, über den Winter würde er noch fahren... Aber im Mai kamen dann zwei Metzeler-Pneus drauf, die eine wesentliche Verbesserung der Bodenhaftung brachten. Die Originalspiegel flogen bereits im März in die Restekiste. Auf der Dortmunder "Motorräder 2000" hatte ich mir dezenteren Ersatz besorgt.

Im Sommer 2000 stattete ich meiner alten Heimat einen Besuch mit dem Mopped ab. Das einzige, was nach 550 km nicht mehr in Ordnung war, waren mein Hintern und Kreuzbein. Bis ich mich von der LS gefaltet hatte und so richtig meiner tatsächlichen Körpergröße entsprach, dauerte es einige Minuten. Meine Hände und Arme vibrierten noch einige Stunden nach. Doch mein Papa hatte Vertrauen und ordnete die zitternde Kaffeetasse keinen Entzugserscheinungen zu.

Wieder in NRW, schlich ich immer häufiger wie ein Tiger um meine Savage herum, denn so richtig gefiel mir dieser vollgepackte Zustand doch nicht. Packtaschen und Werkzeugrolle waren eh schon weggepackt worden. Also war jetzt die hässliche Scheibe dran. Ab damit. Endlich sieht man, was man wirklich gekauft hat. Das Fahren ohne Schild macht sogar noch mehr Laune und bei heftigem Regen braucht man eh irgendeine regendichte Klamotte, die einen trocken hält. Außerdem brauchte meine Savage unbedingt eine Uhr, denn man will ja auch immer pünktlich auf der Arbeit sein...

Im Dezember 2000 war es eine Woche schweinekalt und glatt, so dass ich die Suzi lieber in der Garage stehen ließ und auf die beliebten öffentlichen Verkehrsmittel zurückgriff. Danach allerdings zog es mich wieder, doch sie machte nur "klack, klack". Kann denn eine Woche Trennung...? Das fehlte jetzt auch noch. Der Startermotor? Die Batterie? Sah eigentlich noch ganz gut aus, bis auf eine Zelle und man weiß nie, wie der Vorbesitzer damit umgegangen ist. Also neue her. "Klack, klack". Jetzt hatte ich wohl ein Problem. Sollte ich tatsächlich den Mechaniker holen? Das würde wieder teuer! Blöde Elektrik! Aber nachschauen kostet nichts, also wieder runter mit dem Sitz und die Drähte befummelt. 'Hah! Da is was aber nich in Ordnung.' Glück für mich Greenhorn: lediglich ein Verbindungsstecker hatte sich losvibriert. Der Motor lief jedenfalls wieder wie vorher. Und die neue Batterie? Wer weiß wofür's gut war.

2001 - Der Custom-Virus schlägt zu

In welchem Ausmaß, steht hier.